Samstag, 21. Januar 2012

Creative Commons - eine Geschichte


...oder: Juchu, endlich Geschädigter!

Wie einige von euch sicher wissen, stelle ich seit einiger Zeit alles, was ich produziere, unter eine Creative-Commons-Lizenz, genauer gesagt unter CC-by-nc-sa.

CC-BY-NC-SA Logo

Zu sehen ist dies in meiner Bio:
Bio von @Musicaloris auf Twitter. Biotext: Die Musik meines Lebens, die Melodie meines Seins. Alle Tweets (exkl. RTs & Zitate) unter CC-BY-NC-SA :) Avatar made by @__Sakura__


Dass ich Retweets und Zitate nicht unter diese Lizenz stellen kann, sollte ersichtlich sein.



Diese offene Lizenz hat zum Zwecke, ein sinnvolleres Lizenzmodell als das ansonsten automatisch angewandte deutsche Urheberrecht zu ermöglichen. Mit der von mir verwendeten Lizenzvariante gibt es nur drei Einschränkungen für die Verwendung:

  1. BY: Der Name des Verfassers muss genannt werden
  2. NC: Das Werk darf NICHT in kommerziellen Kontexten verwendet werden
  3. SA: Wird das Werk verwendet, so muss die Lizenz erhalten bleiben. Wird das Werk zur Erstellung eines anderen Werkes genutzt (Zitat, Remix, etc), so MUSS dieses Folgewerk unter dieselbe oder eine gleichartige Lizenz gestellt werden.

Nun mag man vielleicht zu bedenken geben, dass ein Tweet nun eher wenig Inhalt habe. Stimmt. Aber Mario Barth hat auch schon wegen "Nichts reimt sich auf Uschi" abgemahnt. Was wohlgemerkt noch nicht einmal sein Spruch war. Die Länge spielt bei geistigem Eigentum also keine Rolle (bitte korrigiert mich, falls das nicht stimmt!).
Schwieriger auszuschlagen wird wohl der Einwand sein, ob man denn überhaupt Tweets mit einer schlichten Bemerkung in der Bio unter eine Lizenz stellen kann, zumal eine der Vorgaben der Lizenz ist, den Lizenztext bei jeder Reproduktion zu verlinken. Hier kann ich nur sagen: Das weiß niemand. In Deutschland konnte ich nur einen einzigen Fall finden, in dem ein Gericht überhaupt die Gültigkeit von Creative-Commons-Lizenzen bestätigt hat, und dort war der Fall wesentlich eindeutiger gelagert.
Die AGB von Twitter räumt jedem Twitterer ausdrücklich alle Recht an seinen Tweets ein. Der Twitterer gibt Twitter allerdings auch eine kostenfreie und uneingeschränkte Lizenz, seine Tweets zu verbreiten. Das ist - nach meinem Verständnis - das rechtliche Handwerkszeug, um die öffentliche Darstellung der Tweets zu gewährleisten und z.B. Tweets in Werbung für Twitter zeigen zu können. Da die AGB ein Vertrag zwischen Twitter und dem Twitterer ist, steht der Lizensierung von Tweets unter CC-Lizenz nichts entgegen, da der Twitterer ja einen Vertrag mit Twitter geschlossen hat, der die allgemeine Lizensierung nicht beeinträchtigt.

Nun entdeckte ich, dem Ego-Googeln fröhnend, dass zwei meiner Tweets die Ehre hatten, in einem Blog der Sportschau (betrieben vom Hessischen Rundfunk) zitiert zu werden: lest selbst.
Tweet 1 auf Twitter (Tweet 2 ist auf Twitter leider wegen des 3,2k-Limits nicht mehr abrufbar. Den hatte wohl keiner gefavt)
Das freut mich natürlich, dass Autor Dennis Horn (@dennishorn) mein Geläster gut genug fand, um es aufzunehmen! Er hat zwar den konkreten Tweet nicht verlinkt (sprich: für den Leser ist das Nachvollziehen schwerer), aber halb so wild, schließlich hat er nur den Hashtag entfernt.
Zwar hat er sich dabei auch nicht an Twitters eigene Richtlinien zum Zitieren von Tweets gehalten, aber das macht bei den "alten Medien" irgendwie sowieso niemand.
Dummerweise stehen alle Inhalte des Blogs aber in ihrem Impressum unter deutschen Urheberrechtsschutz. Es wird sogar noch fein säuberlich dazu erklärt, dass man nichts, aber auch gar nichts mit den Texten machen darf, außer sie für den Privatgebrauch zu speichern.
Erst einmal finde ich diese Einstellung höchst gefährlich, sobald man in Blogeinträgen Zitate aus Twitter & Co unterbringt, weil dann Artikel entstehen, die größtenteils auf frei zugänglichem Material basieren. Zusätzlich aber verstößt der Autor damit gegen die 3. Bedingung der CC-Lizenz, da er den Eintrag nicht ebenfalls unter dieser Lizenz veröffentlichte. (Das ist übrigens auch einer der Schwachpunkte, dass Werke aus teils urheberrechtlich geschützten und teils freien Inhalten nicht wieder unter CC-Lizenz fallen dürfen...)
Jetzt bin ich ihm weder böse deswegen noch dem HR bzw. der ARD, aber für mich ist das rein formell ein Verstoß, und da mir die Lizenzsache sehr am Herzen liegt, schrieb ich ihn auf Twitter an. Trotz Samstag Nachmittag brauchte er nur 9 Minuten Antwort für seine Antwort , was äußerst lobenswert ist. Hier Anfrage und Antwort (falls unlesbar klein, draufklicken und größer sehen):



Das ließ ich mir natürlich nicht nehmen, also schrieb ich folgende Email:


Hallo Dennis,
Erstmal: Schön, dass du dich direkt gemeldet hast :-)
Die Sache ich nicht groß, aber ich würde dich gerne der Korrektheit halber im Detail darauf hinweisen, schließlich ist das betreffende HR-Blog auch unter einem restriktiven Copyright und ich glaube, ihr würdet da auch keinen Spaß verstehen.
Zur Sache: Im Blogeintrag "Schiedsrichterin im Praktikum?", den du am 30. Juni letzten Jahres im Frauen-WM Blog veröffentlicht hast (http://blogs.hr-online.de/fifa_frauen_wm_2011/2011/06/30/schiedsrichterin-im-praktikum/), zitierst du einige Tweets, unter anderem zwei von mir.
Legen wir die Frage beiseite, ob es nicht ein besserer Stil gewesen wäre, zusätzlich auf die einzelnen Tweets zu verlinken anstatt sie nur so zu zitieren, denn du hast die Verfasser ja genannt.
Die Problematik gestaltet sich - nur bei den Tweets von mir, wohlgemerkt - folgendermaßen:
Ich stelle meine Tweets (das ist auch in meiner Biografie, sprich auf meinem Twitterprofil so vermerkt) grundsätzlich unter eine Creative-Commons Lizenz des Modells "Namensnennung, Nicht-Kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen", kurz CC-by-nc-sa. Die genauen Bestimmungen im rechtlich bindenden Text kannst du hier einsehen: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/
Wenn du nun also CC-by-nc-sa-lizensierte Tweets in betreffendem Blog zitierst, so liegt das Problem darin, dass du den letzten Teil (Weitergabe unter gleichen Bedingungen, sprich: der gleichen oder einer gleichwertigen Lizenz) nicht beachtest. (Als kommerziell würde ich das Blog nicht einstufen, weil zB keine Werbung darauf geschaltet ist.) Darin liegt auch der Verstoß gegen die Lizenz, da ihr im Blog-Impressum (http://blogs.hr-online.de/fifa_frauen_wm_2011/impressum/) explizit vom strengen Schutz nach dem deutschen Urheberrecht für die Inhalte auf dem Blog sprecht. Noch dazu muss beim Zitieren (im Lizenztext: "build upon") eines CC-by-nc-sa-lizensierten Werkes ein Link zum Lizentext beigefügt werden.


Ich habe wegen der Sache keine Forderungen an dich als Autor bzw. den HR als Betreiber des Blogs, das heißt ihr sollt die betreffenden Tweets nicht aus dem Beitrag entfernen. Es wäre allerdings schön, von euch ein Statement dazu zu hören, wie ihr in Zukunft mit solchen Fällen umgeht, ich bin schließlich nicht der einzige Twitterer, der diese Art der Lizensierung anwendet. Vielleicht überlegt der HR sich ja auch, seine Inhalte unter eine freie CC-Lizenz zu stellen. Das wäre natürlich eine super Sache.


Der Fairness halber weise ich dich darauf hin, dass ich diese Angelegenheit in einem Blogeintrag zu erzählen gedenke.


Freundliche Grüße!


Musicaloris



Daraufhin bekam ich noch eine kurze Rückmeldung von Dennis, verteilt über drei Tweets:

Ich habe deine E-Mail bekommen und melde mich schnellstmöglich bei dir. Ich werde natürlich nicht im Namen der ARD sprechen können. Allerdings ist ein Blogeintrag dazu eine echt gute Idee, weil hinter dem Thema glaube ich eine spannende Frage steckt. Ich melde mich!

Dann bin ich ja mal gespannt. Das könnte für das "wir sind toll sind weil wir im Hashtagstream gute Tweets finden"-Format großer Medien infrage stellen, da deren Beiträge eigentlich immer unter restriktivsten Lizenzen stehen - ich bin ja nicht der einzige, der seine Tweets so lizensiert. Sobald ich eine Antwort habe, lasse ich es euch wissen.
Falls einer von euch juristisch Klarheit in die Sache bringen kann, wäre das echt super! Ich konnte trotz intensiver Recherche nichts dazu finden. Mal schauen, was Dennis dazu antwortet, und ob die ARD/HR/Sportschau sich zu einer Stellungnahme herablässt.
Noch eine Bemerkung zum Schluss: Ich stelle keinerlei Forderungen an irgendwen. Aber die Frage, wie Dennis in seiner Antwort sagte, ist zu spannend um sie ungeklärt zu lassen.

2 Kommentare:

  1. Erst einmal bitte ich dich um Verständnis, dass ich mich erst jetzt nach über zwei Wochen bei dir melde. Das liegt nicht daran, dass ich mir eine perfekte Antwort basteln wollte, sondern einfach daran, dass ich extrem viel zu tun hatte - mehr als eigentlich gut ist. Ich wollte mir auch die nötige Zeit für eine Antwort nehmen. Ich hoffe, du hältst mir zugute, dass ich wenigstens in Twitter direkt reagiert habe.

    Wichtig vorab - das hatte ich dir ja auch schon geschrieben: Ich antworte dir nicht im Namen der ARD oder des Hessischen Rundfunks, sondern ausschließlich als freier Journalist mit meinen Ansichten zu der ganzen Kiste, die auch nicht endgültig geklärt sind. Ich finde gut, dass du in dieser offenen Art herangehst und uns erst einmal nichts Böses unterstellst. Denn das war auch gar nicht unsere Absicht.

    Wir sind recht firm, was Lizenzen auch im Rahmen der Creative Commons angeht: Das Team, als das wir für die Sportschau gearbeitet haben, besteht aus erfahrenen Online-Kollegen aus der ganzen ARD. Deshalb, bevor ich andere Argumente anbringe: Ich habe deine Lizenzbedingungen schlichtweg übersehen. Wir haben die von uns zitierten Nutzer in der Regel schon kurz gegengecheckt. Trotzdem kann so etwas im Eifer des Gefechts passieren. Das macht es natürlich nicht besser, und deshalb bitte ich dich um Entschuldigung.

    Auf der anderen Seite ein paar Gedanken, die mich umtreiben:

    Erstens: Mir ist bis heute gar nicht bewusst, dass überhaupt eine beachtenswerte Zahl von Nutzern seine Tweets unter einer CC-Lizenz veröffentlicht. Das ist mir - bis zu deinem Fall - sogar noch nie begegnet. Vielleicht habe ich es schon allein deshalb übersehen, weil ich CC-Lizenzen und Twitter im Zusammenspiel noch nicht erlebt habe. Wenn du ein paar mehr Beispiele als nur deinen Account hast, würde ich mich freuen, die mal zu sehen, einfach, um bei dem Thema ein bisschen tiefer forschen zu können.

    Zweitens: Sind solche Lizenzen bei Twitter überhaupt sinnvoll? Twitter-Clients funktionieren ja in der Regel so, dass Retweets mit einem einzelnen Klick vonstatten gehen - in der alltäglichen Nutzung schaue ich nie in die Kurzbio der einzelnen Nutzer, ob ich sie überhaupt retweeten darf. Das gilt auch für andere Remix-Dienste wie Storify. Klar, beim Sportschau-Blog geht es nicht um einen Retweet - aber das rechtliche Problem, das zugrunde liegt, ist ja dasselbe. Denn wenn ich jetzt einen deiner Tweets retweete, obwohl ich meine Tweets sonst nicht zu gleichen Bedingungen weitergebe, würde ich ja auch gegen deine Lizenzbedingungen verstoßen. Das würde ja das komplette Konzept von Twitter durcheinander werfen. Oder denke ich da falsch?

    Drittens: Es gibt immer mal wieder die Diskussion, ob Tweets überhaupt eine Schöpfungshöhe erreichen, mit der sie unter das Urheberrecht fallen. Das ist rechtlich meines Wissens nicht endgültig geklärt. Persönlich bin ich der Ansicht, dass Hinweistweets mit Links eher keine Schöpfungshöhe aufweisen, Tweets wie die von uns zitierten aber schon - da geht es ja um Sprüche, Wortspiele, selbst entwickelte Inhalte.

    Viertens, und das ist das für mich wichtigste Argument: Fällt die Nutzung möglicherweise ganz einfach unter das Zitatrecht? Ich weiß, dass dieses Argument oft vorschnell gebracht wird und das Zitatrecht sich nicht so weit auslegen lässt, wie viele das gern hätten. Aber bei solchen kurzen Ausschnitten, die nur einen kleinen Teil deiner Äußerungen zur Weltmeisterschaft ausmachen, kann ich mir vorstellen, das es sich dabei in einer Berichterstattung um ganz einfache Zitate handelt. Hätte man sonst nicht schon längst von rechtlichen Auseinandersetzungen gehört, wenn ein Fernsehsender zum Beispiel die Hashtag-Parade auffährt, die du in deinem Blogeintrag auch nennst, nicht nur bei CC-lizensierten Accounts, sondern auch bei allen anderen, weil auch diese Tweets ja unters Urheberrecht fallen?

    Ich bin kein Jurist, und deshalb sind das für mich alles offene Fragen. Ein spannendes Thema!

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  2. Weil nur 4.096 Zeichen zur Verfügung standen :) - ein zweiter Kommentar zur CC-Lizensierung öffentlich rechtlicher Angebote: Wir sind da in vielen ARD-Anstalten definitiv noch nicht so weit wie die Kollegen vom NDR oder vom ZDF zum Beispiel beim Elektrischen Reporter, von der BBC mal ganz zu schweigen, klar. Ich würde mir mehr Experimente in der Richtung wünschen, wenn es schon nicht in übergreifender Form passieren kann. Wann immer mir das möglich ist, versuche ich da, auch Einfluss zu nehmen.

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