Sonntag, 19. Februar 2012

CC-Geschichte - Finale

Vorweg eine Bemerkung: Dies ist eine Weiterführung zweier vorheriger Blogeinträge, die ich direkt nach dieser Vorbemerkung verlinke. Eine Lektüre dieser wäre sicher sinnvoll.

Wie meine Leser vielleicht noch wissen, hatte ich mich vor kurzem mit Creative-Commons-Lizenzen auseinander gesetzt, besonders im Hinblick auf die Lizensierbarkeit von Tweets. Um das Lizenzmanagement von öffentlich-rechtlichen Medien ging es auch, ein paar (natürlich positive) Beispiele habe ich danach noch hier zusammengetragen.
Bei der ursprünglichen Geschichte ging es um zwei meiner Tweets, die Dennis Horn in einem Blogpost für ein Sportschau-Blog zitierte.

Er ging auf meine Kritik sehr positiv ein und hat nun auch eine längere Antwort darauf verfasst. Ich muss nochmal erwähnen, dass ich seine Art damit umzugehen als sehr positiv und fair wahrnehme, und möchte deshalb hier ebenso darauf eingehen. Zunächst jedoch seine Antwort, die auch in den Kommentaren zum ursprünglichen Blogpost nachgelesen werden kann:

Erst einmal bitte ich dich um Verständnis, dass ich mich erst jetzt nach über zwei Wochen bei dir melde. Das liegt nicht daran, dass ich mir eine perfekte Antwort basteln wollte, sondern einfach daran, dass ich extrem viel zu tun hatte - mehr als eigentlich gut ist. Ich wollte mir auch die nötige Zeit für eine Antwort nehmen. Ich hoffe, du hältst mir zugute, dass ich wenigstens in Twitter direkt reagiert habe.

Wichtig vorab - das hatte ich dir ja auch schon geschrieben: Ich antworte dir nicht im Namen der ARD oder des Hessischen Rundfunks, sondern ausschließlich als freier Journalist mit meinen Ansichten zu der ganzen Kiste, die auch nicht endgültig geklärt sind. Ich finde gut, dass du in dieser offenen Art herangehst und uns erst einmal nichts Böses unterstellst. Denn das war auch gar nicht unsere Absicht.

Wir sind recht firm, was Lizenzen auch im Rahmen der Creative Commons angeht: Das Team, als das wir für die Sportschau gearbeitet haben, besteht aus erfahrenen Online-Kollegen aus der ganzen ARD. Deshalb, bevor ich andere Argumente anbringe: Ich habe deine Lizenzbedingungen schlichtweg übersehen. Wir haben die von uns zitierten Nutzer in der Regel schon kurz gegengecheckt. Trotzdem kann so etwas im Eifer des Gefechts passieren. Das macht es natürlich nicht besser, und deshalb bitte ich dich um Entschuldigung.

Auf der anderen Seite ein paar Gedanken, die mich umtreiben:

Erstens: Mir ist bis heute gar nicht bewusst, dass überhaupt eine beachtenswerte Zahl von Nutzern seine Tweets unter einer CC-Lizenz veröffentlicht. Das ist mir - bis zu deinem Fall - sogar noch nie begegnet. Vielleicht habe ich es schon allein deshalb übersehen, weil ich CC-Lizenzen und Twitter im Zusammenspiel noch nicht erlebt habe. Wenn du ein paar mehr Beispiele als nur deinen Account hast, würde ich mich freuen, die mal zu sehen, einfach, um bei dem Thema ein bisschen tiefer forschen zu können.

Zweitens: Sind solche Lizenzen bei Twitter überhaupt sinnvoll? Twitter-Clients funktionieren ja in der Regel so, dass Retweets mit einem einzelnen Klick vonstatten gehen - in der alltäglichen Nutzung schaue ich nie in die Kurzbio der einzelnen Nutzer, ob ich sie überhaupt retweeten darf. Das gilt auch für andere Remix-Dienste wie Storify. Klar, beim Sportschau-Blog geht es nicht um einen Retweet - aber das rechtliche Problem, das zugrunde liegt, ist ja dasselbe. Denn wenn ich jetzt einen deiner Tweets retweete, obwohl ich meine Tweets sonst nicht zu gleichen Bedingungen weitergebe, würde ich ja auch gegen deine Lizenzbedingungen verstoßen. Das würde ja das komplette Konzept von Twitter durcheinander werfen. Oder denke ich da falsch?

Drittens: Es gibt immer mal wieder die Diskussion, ob Tweets überhaupt eine Schöpfungshöhe erreichen, mit der sie unter das Urheberrecht fallen. Das ist rechtlich meines Wissens nicht endgültig geklärt. Persönlich bin ich der Ansicht, dass Hinweistweets mit Links eher keine Schöpfungshöhe aufweisen, Tweets wie die von uns zitierten aber schon - da geht es ja um Sprüche, Wortspiele, selbst entwickelte Inhalte.

Viertens, und das ist das für mich wichtigste Argument: Fällt die Nutzung möglicherweise ganz einfach unter das Zitatrecht? Ich weiß, dass dieses Argument oft vorschnell gebracht wird und das Zitatrecht sich nicht so weit auslegen lässt, wie viele das gern hätten. Aber bei solchen kurzen Ausschnitten, die nur einen kleinen Teil deiner Äußerungen zur Weltmeisterschaft ausmachen, kann ich mir vorstellen, das es sich dabei in einer Berichterstattung um ganz einfache Zitate handelt. Hätte man sonst nicht schon längst von rechtlichen Auseinandersetzungen gehört, wenn ein Fernsehsender zum Beispiel die Hashtag-Parade auffährt, die du in deinem Blogeintrag auch nennst, nicht nur bei CC-lizensierten Accounts, sondern auch bei allen anderen, weil auch diese Tweets ja unters Urheberrecht fallen?

Ich bin kein Jurist, und deshalb sind das für mich alles offene Fragen. Ein spannendes Thema!

Was die CC-Lizensierung öffentlich-rechtlicher Angebote angeht: Wir sind da in vielen ARD-Anstalten definitiv noch nicht so weit wie die Kollegen vom NDR oder vom ZDF zum Beispiel beim Elektrischen Reporter, von der BBC mal ganz zu schweigen, klar. Ich würde mir mehr Experimente in der Richtung wünschen, wenn es schon nicht in übergreifender Form passieren kann. Wann immer mir das möglich ist, versuche ich da, auch Einfluss zu nehmen.

Da merkt man, dass es nicht nur ignorante Holzmedien-Retter unter den Journalisten gibt :-P

Um auf die Punkte aus Dennis' Antwort einzugehen, folge ich seiner Reihenfolge und Nummerierung:

Erstens - über welche Menge an Twitterern, die ihre Tweets unter CC lizensieren, sprechen wir überhaupt? Das ist eine gute Frage. Ich habe entsprechende Vermerke das ein oder andere Mal in Bios entdeckt. Eine entsprechende Beispielsuche und ähnliche finden neben mir einige Nutzer, bspw.:

Insgesamt muss man aber ehrlich zugeben, dass dieses Verhalten eher in homöopathischen mengen auf Twitter vertreten ist.

Zweitens - ist eine explizite (CC-)Lizensierung von Tweets überhaupt sinnvoll, wirft sie nicht das Konzept von Twitter um (besonders bei Retweets)? Da Twitter sich per AGB die unentgeltlichen Verbreitungsrechte an allen Tweets von Nutzer geben lässt, um ohne Probleme Tweets überall anzeigen zu können, würde in Retweets und andere "inner-twitterliche" Vorgänge von der Debatte ausklammern. Dazu zählt auch, einen Tweet kommentiert nach dem Schema "LOL RT @katzenbot MIAU!" (oder ähnlich) aufzubauen.
Ich würde dies auch gerne von der Debatte ausklammern, weil bei diesen Formen der Urheber genannt wird und klar erkennbar ist, was von wem ist. Zusätzlich sind kommerzielle Interessen hierbei grundsätzlich auszuschließen Außerdem macht sich durch einen RT oder eine Kommentierung wie oben den Inhalt nicht zu eigen.
Ich sehe also nicht, dass diese Vorgänge von CC- oder ähnlicher Lizensierung beeinflusst würden. Allerdings bin ich auch kein Jurist :-)


Drittens - erreicht ein Tweet überhaupt das Maß an "kreativem Content", das nötig ist um ihn schutzwürdig zu machen? Dennis erwähnt ja schon den entscheidenden juristischen Begriff, nämlich die sog. Schöpfungshöhe.
Die gesetzlichen Vorgaben lassen keine Aussage über die Schutzwürdigkeit von Tweets zu, weil sie sich eben nicht explizit zu "Kunstformen" wie eben Twitter äußern. Bei Fotos z.B. ist es sehr einfach, diese Schöpfungshöhe zu erreichen, bei kurzen Sätzen (und hier kämen wir ja Twitter näher) spricht das Gesetz nur noch von der Möglichkeit einer Marken- oder Gebrauchsmustereintragung (z.B. für Werbeslogans).
Die Schutzwürdigkeit ist deshalb so wichtig, weil ein Werk, dass diese nicht erreicht, auch nicht rechtlich wirksam unter eine Lizenz gestellt werden könnte, egal ob Urheberrecht oder CC-Lizenz (dies gilt jedoch für jedes Land anders, ich beschäftige mich hier nur mit der Situation in Deutschland). Erwähnenswert dazu ist das rechtliche Konstrukt der kleinen Münze, die eben jene unterste Schranke darstellt.
In meinem ursprünglichen Blogbeitrag nahm ihm die Schutzwürdigkeit von Tweets als gegeben an, das muss ich an dieser Stelle nach Lektüre diverser Rechtstexte zurückziehen. Und selbstverständlich stimmt und gilt hier Dennis' Argument, dass man bei der Schutzwürdigkeit zwischen bloßen Linkschleuder-Tweets und wortspiel- und erkenntnishaltigen Tweets unterscheiden muss.
Hierzu kann ich als Fazit nur ziehen, dass die rechtliche Lage so grau ist wie Novembernebel in britischen Agatha-Christie-Verfilmungen.

Viertens - fallen Tweetwiedergaben in Blogbeiträgen möglicherweise nicht einfach unter das Zitatrecht? Hier würde ich gerne eine neue Sichweise in die Debatte einführen, mit der sich dies ganz einfach klären lässt. Dazu muss ich kurz ausholen.
Auch wenn die Schutzwürdigkeit eines einzelnen Tweets rechtlich ungeklärt bis zweifelhaft ist (siehe drittens), so würde ich der Gesamtheit der Tweets eines Nutzers durchaus einen schutzwürdigen Status als (ständig aktualisiertes bzw. erweitertes) Werk zugestehen, vergleichbar mit einer Sammlung von selbstgeschriebener Aphorismen in einem Buch.
Ausgehend davon wäre das Wiedergeben eines einzelnen Tweets durchaus ein Zitat nach dem Zitatrecht, da ein Teil eines "Werkes" zitiert wird. Hiervon würde sich meines Ermessens ableiten:

  • Die rechtliche Vereinbarkeit eines RT als Zitat mit einer Lizensierung
  • Die Lizensierbarkeit von Tweet-Gesamtheiten durch einen Vermerk (inkl. Link auf die Lizenz) in der Bio, da das Werk über die Profilseite aufrufbar ist und auf jener der nötige Hinweis auf die Lizenz erscheint
  • Für Blogbeiträge: Die Notwendigkeit, den Twitterer zu nennen und den konkreten Tweet zu verlinken. Besser noch: den Originaltweet einbetten (wie das geht, wird hier erklärt). Nur damit wird der gesetzlichen Forderung ( §51 UrhG) nach Nennung von Urheber und Literaturangabe entsprochen.

Alternativ zum integrieren empfehle ich einen Screenshot des Tweets mit den geforderten Vermerken. Eine Zitation durch reines Copy-Paste halte ich, auch mit unverlinkter Nennung des Twitterers, für problematisch.

Sehe ich jedoch jeden Tweet schon als Werk, so würde es sich um ein sog. Großzitat handeln. Allerdings haften dieser Sichtweise sämtliche Unsicherheiten an, die in Punkt drittens behandelt werden. Daher mag ich meine eben geschilderte Sichtweise deutlich lieber ;-)


Wenn ich nun meine oben ausgeführten Punkte zusammenfassen soll, so ist vor allem die Frage der Schöpfungshöhe (einzelner Tweet vs. Tweet-Gesamtheit) entscheidend dafür, wie außer-twitterliche Zitate vonstatten gehen sollen. Dem genügt auch der strittige Blogbeitrag von Dennis nicht, da weder Twitterer noch konkrete Tweets verlinkt sind. Ich kann allerdings verstehen, wenn man sich nicht den Code von Dritten (in diesem Falle Twitter) in die Seite einbauen möchte - z.B. wegen Datenschutzbedenken - trotzdem reicht mir das Format der Tweet-Zitation in diesem Falle nicht aus.
Ich glaube, mit diesem Beitrag habe ich die meisten Aspekte der Frage zusammengefasst (und es sogar geschafft, einige eigene Ideen einzubringen!). Sollten neue Aspekte auftauchen, so wäre ich überglücklich, wenn ihr sie mir mitteilen könntet!

Eine Bemerkung erlaube ich mir, der ich nach Lektüre diverser Rechts- und anderer das Urheberrecht betreffender Texte obigen Blogbeitrag verfasst habe, noch zum Schluss: Unser Urheberrecht ist veraltet und besitzt nicht einmal annähernd eine reelle Anwendungsfähigkeit auf die in diesem Beitrag beschriebenen Situationen.

PS: Der @arschhaarzopf hat auch einen schönen Text zum Thema Tweetklau und Schöpfungshöhe.

Nachtrag/Edit:
Auch mit der konkreten Frage, wie eine CC-Lizenz Zitate regelt, habe ich mich im Detail auseinandergesetzt. Mehr dazu in diesem Beitrag!

1 Kommentar:

  1. Spannend sind ja insbesondere die Punkte zwei und vier. Zunächst zum zweiten Punkt: Verwertungs-/Verbreitungsrechte sind ja keine Urheberrechte. Deshalb kann man die "inner-twitterlichen" Vorgänge aus meiner Sicht schon betrachten. Auch, wenn der Urheber erkennbar ist, hat er sich ja absichtlich dafür entschieden, die Weitergabe seiner Tweets nur zu gleichen Bedingungen stattfinden zu lassen. Deshalb müsste er zum Beispiel auch aufschreien, wenn zum Beispiel das ZDF ihn retweetet.

    Zu Punkt vier: Ich sehe es auch so, dass ein einzelner Tweet einen Teil eines Werks darstellt. Bei Punkt zwei deiner Ableitung bin ich wie oben beschrieben unsicher. Die anderen Punkte würde ich so allerdings unterschreiben.

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